architektur berlin 2024

Schwere Zeiten Vorwort Dr. Ing. Alexander Gaulke  Bundesweit fehlen etwa 700.000 Wohnungen und davon allein in Berlin mindestens 50.000. Dies sollte eigentlich zu einer florierenden Bauwirtschaft führen. Zu beobachten ist jedoch eine andere Realität. Viele Projektentwickler gehen in die Insolvenz, das Ifo-Institut meldet einen Höchststand an stornierten Wohnungsbauprojekten bei den Bauunternehmen. Fast die Hälfte der Firmen leidet unter Auftragsmangel. Wie lässt sich dieses Paradoxon erklären? Die hohen Finanzierungs- und Baukosten lassen sich als Verantwortliche dafür schnell identifizieren. Selbst Menschen, die sehr dringend eine Wohnung suchen, können sich Angebotsmieten von deutlich über 17 Euro/m², wie sie für einen aktuellen Neubau erforderlich sind, nicht leisten. Schon jetzt sind viele Haushalte mit den Mietkosen an der Grenze des finanziell Leistbaren und zahlen über 30 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens für die Warmmiete. Aufgrund der gestiegenen Zinsen, Baupreise und Abgaben sowie der hohen Anforderungen an Wärme-, Schall-, und Brandschutz müssten Mietpreise verlangt werden, die am Markt nicht zu erzielen sind. Zusätzlich wird die Situation durch die Notwendigkeit von CO— Einsparungen für den Klimaschutz beim Bauen verkompliziert. Die Anhebung auf den Effizienzhausstandard EH40 würde die monatlichen Mietkosten zusätzlich um ca. 50 Cent/m² erhöhen. Das führt in der Summe dazu, dass kaum neuer Wohnraum geschaffen wird. Zum Glück ist Berlin noch immer eine wachsende Stadt und zieht weiterhin Menschen an, die hier wohnen und arbeiten möchten. Die Prognosen gehen davon aus, dass in Berlin bis 2030 über eine viertel Million mehr Menschen leben werden, die alle bezahlbare Wohnungen benötigen. Um das zu leisten können, benötigt die Bauwirtschaft Unterstützung durch die Politik. Die Aussetzung der Einführung des EH40-Standards ist dabei ein richtiger Schritt. Das soll nicht heißen, dass das durch die Schaffung und Nutzung von Wohnraum emittierte CO— nicht deutlich reduziert werden müsste. Die mögliche Reduktion durch den erhöhten Standard ist jedoch verglichen mit dem Nutzen viel zu teuer. Deutlich effektiver ist eine Regulierung über den CO—-Preis, da das Nutzerverhalten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Energieverbrauch hat. Zudem könnte durch eine zunehmende Umstellung auf eine fossilfreie Energiegewinnung der Ausstoß von CO— durch das Heizen deutlich gesenkt werden. Ein weiterer Zielkonflikt liegt in der Einsparung von CO— bei der Errichtung von Gebäuden. 25 bis 40 Prozent der CO—-Emissionen von Gebäuden fallen bei der Herstellung an. Hier fehlt die Infrastruktur, um die wichtige Stahl- und Zementproduktion auf Wasserstoff umstellen zu können. Zusätzlich wird der Neubau durch ein hohes Maß an Bürokratie und komplexen Genehmigungsverfahren behindert. Viele Vorschriften sichern zwar einen sehr hohen Standard der Gebäude in Deutschland, führen jedoch ebenso zu den hohen Baukosten. Hier muss es dringend eine entscheidende Reform der Bürokratie geben. Die Maßnahmen der Bundesregierung für zusätzliche Investitionen in den Bau von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft sind ein Schritt in die richtige Richtung, werden wahrscheinlich aber noch nicht reichen. Jetzt müssen die Weichen für eine ausreichende Menge an ökologisch nachhaltigem Wohnraum gestellt werden. Angesichts der aktuellen Haushaltsdebatte ist das kein leichtes Unterfangen. Dr. Ing. Alexander Gaulke Landesvorsitzender Berlin-Brandenburg BDB Berlin-Brandenburg Foto: © privat 9

RkJQdWJsaXNoZXIy MjUzMzQ=