architektur schleswig-holstein 2023

Vorwort Andreas Breitner Effizienz statt Ideologie Foto: © Bertold Fabricius Selten dürften die Bedingungen für den Bau bezahlbarer Wohnungen so schlecht gewesen sein, wie in diesen Tagen. Erst die Corona-Pandemie, dann der russische Angriff auf die Ukraine. Für Wohnungsunternehmen sind die Folgen verheerend: Explodierende Bau- und Grundstückspreise sowie sprunghaft steigende Zinsen machen es gegenwärtig fast unmöglich, zu bauen. Als ob das nicht schon reichen würde, sehen sich die sozialen Vermieter aktuell mit einer Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung konfrontiert, die zwar hohe Zielzahlen ausgibt – 400.000 Wohnungen sollen Jahr für Jahr gebaut werden –, aber mit ihrer Förderpolitik die Schaffung von bezahlbaren Wohnraum erschwert. Hinzu kommen steigende Klimaschutzanforderungen und ein Wust an unterschiedlichen Regelungen. Selbst professionelle Energieberater und Förderbanken haben inzwischen den Überblick über jeweils anzuwendende Berechnungsnormen verloren. Die Folgen sind schon sichtbar. Inzwischen muss ein Unternehmen für eine neu gebaute Wohnung eine Miete zwischen 15 Euro und 18 Euro pro Quadratmeter verlangen, wenn es wenigstens eine ‚schwarze Null‘ schreiben will. Der VNW vertritt die sozialen Vermieter, und unsere Unternehmen können und wollen keine derartig hohe Miete nehmen. Eine zum Beginn des Jahres 2023 durchgeführte Umfrage unter den VNW-Unternehmen ergab, dass in Schleswig-Holstein in diesem und im kommenden Jahr der Bau von 1184 Wohnungen geplant war. 432 Wohnungen werden auf Grund der unsicheren Lage nicht errichtet bzw. ihr Bau wurde verschoben. Als Gründe für den Verzicht bzw. die Verschiebung gaben die Unternehmen an: wenig verlässliche und unzureichende öffentlichen Förderung, gestiegene Zinsen und explodierende Materialkosten. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung derzeit ihre Förderung auf die energetische Sanierung von bestehenden Wohngebäuden fokussiert. Auch soziale Vermieter können den Euro nur einmal ausgeben. Ihre Vorstände und Geschäftsführer entscheiden sich daher immer öfter für die Sanierung ihrer Gebäude, zumal gesetzliche Vorschriften sie dazu zwingen. Der Neubau bleibt auf der Strecke. In Schleswig-Holstein hat die Landesregierung die Förderung des sozialen Wohnungsbaus deutlich erhöht. Pro Quadratmeter werden inzwischen 1.000 Euro gezahlt. Das wird möglicherweise den Rückgang des Baus von Sozialwohnungen etwas mildern. Allerdings fürchte ich, dass Menschen, die keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, sich aber eine teure Wohnung nicht leisten können, keine Wohnung mehr finden werden. Das Schlimme ist: der Abwärtstrend beim Wohnungsneubau wird in den kommenden Jahren weitergehen. Zugleich steigt die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, rasant. Schon jetzt ist klar: da schlummert erhebliches Protestpotenzial. Und was machen Berliner Politikerinnen und Politiker: sie schieben den schwarzen Peter der Wohnungswirtschaft zu. Diese solle ihrer Verantwortung gerecht werden und trotz der Umstände bauen. Man kann aber niemanden zu einem Investment zwingen, von dem von Anfang an feststeht, dass am Ende rote Zahlen herauskommen. Notwendig ist vielmehr, die Rahmenbedingungen für die Schaffung von Wohnraum zu verbessern. Mehr öffentliche Förderung und niedrige Zinsen sind das eine. Genauso wichtig ist es, Bauordnungen zu entschlacken, Prüfungsprozesse in den Behörden zu beschleunigen und beim Klimaschutz auf Effizienz statt auf Ideologie zu setzen. Andreas Breitner, Verbandsdirektor Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.; Hamburg 8

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