architektur südtirol 2024/25

Gastronomie und Hotellerie. So etwa geht jeder Umgestaltung eines Hotels durch Noa eine detaillierte betriebswirtschaftliche Analyse der Abläufe voraus, die zunächst mit der architektonischen Gestaltung des Bauvorhabens noch wenig zu hat. „Wir analysieren bei einem Umbau zum Beispiel genau, wie viel Fläche in einem Hotel den einzelnen Funktionen gewidmet ist. Wir sammeln diese Daten, archivieren sie und ermitteln Durchschnittswerte. So haben wir eine Vergleichsbasis. Ich hatte einmal einen Kunden, der in seinem Hotel ungewöhnlich wenig Fläche für die Büros der Verwaltung vorgesehen hatte. Ich konnte ihm sagen, ich glaube, du hast in dem Bereich ein Problem und ich lag richtig.” Stefan wuchs selbst im Umkreis eines Hotelbetriebs auf, des Valentinerhofs in Kastelruth, den sein Onkel führte, und der Umbau dieses Hotels war das erste Projekt, das Stefan Rier und Lukas Rungger am Beginn ihrer Selbständigkeit gemeinsam übernahmen. Hotelbau ist eine Kernkompetenz von Noa und diese Kompetenz hat viele Facetten. „Der große Vorteil der familiengeführten Hotelbetriebe, die wir in Südtirol haben”, erklärt Stefan, „ist, dass sie vielfach zu klein sind für externe Investoren. Aus diesem Grund bleiben sie in der Hand einer Familie und haben eine starke, gewachsene Identität. Zu diesen Betrieben passen keine beliebigen Marketingkonzepte, die man sich ausdenkt und dann umsetzt. Es geht um echte Identität, die glaubwürdig ist.” Das Erspüren und Kennenlernen dieser betrieblichen und menschlichen Identität ist für Noa offenbar ein essentieller Ausgangspunkt des Planungsprozesses. Besonders fasziniert ist Stefan von der Idee des Familienhotels und viele markante Familienhotels (wie etwa das Falkensteiner Family Resort Lido im Pustertal oder das Cavallino Bianco in Gröden) hat Noa gestaltet und umgestaltet. „Wenn ein Paar Kinder bekommt”, erklärt er nachdenklich, „kann das ein Paar auch auseinander bringen. Wir versuchen, bei unseren Konzepten, räumliche Lösungen zu finden, die es ermöglichen, dass Eltern und Kinder gemeinsam Zeit verbringen können, wenn sie das wollen, aber immer auch Rückzugsmöglichkeiten vorfinden.” Auf der vergleichsweise kleinen Fläche einer Suite führte diese Überlegung zu verspielten Konstruktionen mit beweglichen Wänden, die eine flexible Raumaufteilung erlaubten. „Wir hatten sogar ein Projekt, wo wir einen Familientherapeuten in den Planungsprozess einbezogen haben.” An diesem Punkt stelle ich Stefan eine Frage: „Wenn ihr euch so intensiv mit den Situationen der Bauherren, den Betriebskonzepten, so vielen Themen befasst, die außerhalb der Architektur liegen, wie schafft ihr es dann, dass eure Projekte doch eine durchgängige Handschrift haben?” Die Reaktion Stefans ist zurückhaltend und bescheiden. Es scheint ihm wenig am Wiedererkennungswert von Noas Architektur zu liegen. Im Internet stoße ich auf eine Äußerung seines Partners Lukas Rungger, der sagt, ihm wäre am liebsten, wenn jedes Projekt von Noa völlig anders wäre. Aber hat man nicht immer eine Handschrift, unabhängig davon, ob man auch eine Handschrift haben will? Am Ende des Gesprächs holt Stefan noch einmal ein bisschen aus, um die Arbeit von Noa aus einem anderen Blickwinkel zu erklären. Es geht um den Bezug der Form zum Betrachter. „Wir wollen Emotionen auslösen. Wenn du dir den Hubertus Pool ansiehst, dann wollen wir dem Betrachter das Gefühl vermitteln, wie es wäre, jetzt da oben zu sein und zu schwimmen.” Die bildhafte Formensprache, mit der der Betrachter direkt bei seiner Phantasie gepackt und Teil eines Narrativs wird, scheint eine Besonderheit der Arbeit von Noa zu sein, die sich in verschiedenster Form durch die Projekte durchzieht. „The architecture of communication deserves as much attention as the architecture of space”, schrieb Robert Venturi in „Learning from Vegas”, einem grundlegenden Werk postmoderner Architekturtheorie… Wir haben uns verplaudert, es ist dreiviertel Zwölf und in der Materialbibliothek, wo die Studenten noch an der Arbeit sind, ist es sehr ruhig geworden. Professor Rier macht sich eilig auf den Weg, um nach dem Rechten zu sehen. Ich bedanke mich für das interessante Gespräch. Familienhotel Cavallino Bianco Interview Foto: © Alex Filz 9

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