architektur zürich ostschweiz 2022

56 Mario Botta: Heute scheint die Architektur, von wenigen Beispielen abgesehen, von technisch-funktionalen Fragen überlagert zu sein, aber darüber hinaus ist der Architekt für eine gestalterische Synthese verantwortlich, damit ein Gebäude auch ein Ort der Identität ist. In einer Zeit wie der unseren, voller Sorgen und Ungewissheit, brauchen die Menschen meiner Meinung nach einen Ort, an dem sie die Hektik und Gewalt, die uns umgibt, zumindest für ein oder zwei Stunden vergessen können. Oggigiorno l’architettura, salvo rari esempi, sembra essere sopraffatta da domande tecnico-funzionali, ma, al di là di esse, all’architetto resta la responsabilità di una sintesi progettuale tale da far sì che un edificio costituisca anche un luogo di identità. In un’epoca come la nostra, piena di preoccupazioni e incertezza, credo che le persone abbiano bisogno di un luogo che permetta loro di dimenticare la frenesia e la violenza che ci circondano, almeno per un’ora o due. Architektur Zürich Ostschweiz: Der Name der Therme erinnert an einen Club mit jungem Publikum. Eine einzigartige audiovisuelle Erlebniswelt mit dem Namen «Kosmos» entführt die BesucherInnen. Hatten diese Nutzungsvarianten Einfluss auf die Architektur oder hatte zuerst der Architekt das Wort und dann die Marketingabteilung? Mario Botta: Die Architektur formuliert Lösungen und das Marketing verkauft oder bewirbt sie in der Öffentlichkeit. L’architettura formula le soluzioni e il marketing le vende o le promuove al pubblico. Architektur Zürich Ostschweiz: Wenn heute neue Bauwerke bewertet werden, fallen oftmals positiv gemeinte Beschreibungen, wie «fügt sich gut in die Umgebung ein» oder «ergänzt den Bestand harmonisch». Ist die Architektur allgemein zu angepasst und gibt es zu wenig Lust auf Neues? Mario Botta: Die Globalisierung hat dazu geführt, dass die Architektur, die Kunstgattung, die wahrscheinlich am stärksten mit dem Finanzsystem verknüpft ist, einen sehr hohen Preis bezahlt hat. Das erkennt man an der Tatsache, dass heutzutage die neuen Architekturen einander alle gleichen. Die Architekten verwenden die gleichenMaterialien, die gleichen Ausdrucksformen und sogar die Themen wiederholen sich. Ursprüngliche Themen wie die Kirche, das Haus, das Theater, das Museum, die zu den eigentlichen Institutionen des Menschen gehören, existieren nicht mehr. Das hat zwar einerseits eine technische Rechtfertigung, weil die Materialien jene sind, die der Weltmarkt liefert, es zeigt aber andererseits auf, dass die Architektur, abgesehen vom ästhetischen Urteil, eine Vielzahl identitätsstiftender Werte verloren hat, die sie mit ihrem Standort, der Umgebung, den Umweltbedingungen und dem Klima verbunden hatten. Die Architektur ist Ausdruck der eigenen Zeit. Sie sollte sich nicht in die Umgebung einfügen, sondern durch neue räumliche Beziehungen mit ihr in Dialog treten; es ist eine dialektische Konfrontation, keine Integration. La globalizzazione ha fatto sì che l’architettura, che tra le arti è forse quella maggiormente legata al sistema finanziario, abbia pagato un prezzo altissimo, e lo si vede dal fatto che ormai le nuove architetture si assomigliano tutte. Gli architetti usano gli stessi materiali, le stesse forme espressive e persino i temi si ripetono. Non esistono più i temi ancestrali della chiesa, della casa, del teatro, del museo propri delle istituzioni dell’uomo, e questo da un lato ha una giustificazione tecnica, perché i materiali sono quelli che fornisce il mercato mondiale, ma dall’altro significa che l’architettura, a prescindere dal giudizio estetico, ha perso Flussseitige Teilansicht des Gebäudevolumens © René Dürr Interview ■ Mario Botta Architekten

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