architektur berlin 2022

Vorwort n Dr. Ing. Alexander Gaulke Die Wohnungssuche in Berlin Eine der dringendsten Aufgaben in Berlin bleibt weiterhin der Wohnungsneubau. Auf Bundesebene wurde das von der Ampelkoalition erkannt und entsprechende Vorhaben stehen explizit im Koalitionsvertrag. Die Koalition in Berlin sollte entsprechendes auch auf Landesebene beschließen, weil beispielsweise günstige Sozialwohnungen aktuell überhaupt nicht auf dem Markt sind. Auch für Normalverdiener ist es nahezu unmöglich, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Eine Besserung ist in nächster Zeit kaum zu erwarten, da im ersten Halbjahr 2021 die Anzahl der Baugenehmigungen in Berlin sogar gesunken ist. Im Jahr 2020 wurden rund 200 Mio. Euro weniger in den Wohnungsbau investiert als 2019. Die Gründe liegen zum einen bei der Bauverwaltung, die personell für die notwendige Menge an Bauanträgen nicht aufgestellt ist, immer komplizierter werdenden Genehmigungsverfahren und einem Mangel an Bauflächen. Zusätzlich wurden durch die Coronapandemie Lieferketten gestört und viele Baustoffe haben sich erheblich verteuert oder sind gar nicht zu bekommen. Erschwerend kam der Mietendeckel hinzu, der vom Berliner Senat sicherlich gut gemeint war, sein Ziel aber völlig verfehlt hat. Das Angebot an freien Mietwohnungen ist in dieser Zeit deutlich gesunken und die Investitionen in Wohnraum wurden deutlich zurückgefahren. Von den negativen Konsequenzen des Mietendeckels waren hauptsächlich Geringverdiener, junge Familien und Zuzügler betroffen, wie in wissenschaftlichen Studien festgestellt wurde. Mit einer Enteignung von Wohnungsunternehmen, wie sie von der Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner gewünscht wird, wären ähnliche negative Folgen für die Allgemeinheit absehbar. Das Land Berlin hat die Wohnungen 2004 verkauft, weil sie durch die öffentliche Hand nicht wirtschaftlich betrieben werden konnten. Warum sollte sich das jetzt geändert haben? Der Berliner Senat rechnet mit Kosten von 100 Mio. Euro bis 340 Mio. Euro im Jahr für den Betrieb der enteigneten Wohnungen. Dieses Geld würde für wichtige Investitionen, wie Bildung, Infrastruktur und sozialen Wohnungsneubau, fehlen. Die Entscheidung, eine Expertenkommission einzusetzen, die die finanziellen Auswirkungen für das Land aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht untersucht, ist hier voraussichtlich der richtige Weg. Hilfreich für den Wohnungsmarkt in Berlin wäre ein Bündnis für Wohnen zwischen dem Senat und den Wohnungsunternehmen, um die Herausforderungen gemeinsam zu lösen und mit innovativen Ideen mehr Wohnraum zu schaffen. Die Blaupause für eine Kooperation hat Hamburg geliefert und konnte dadurch erfolgreich den Mietenanstieg bremsen. Dort wurden seit 2014 im Schnitt 1.000 Wohnungen pro Jahr und einer Mio. Einwohner mehr fertiggestellt als in Berlin. Das wären etwa 23.000 Wohnungen seit 2014, die zusätzlich in Berlin hätten errichtet werden können. Der Senat muss das Konzept nur übernehmen. Die Herausforderungen für den neuen Senat beschränken sich in der kommenden Legislaturperiode nicht nur auf die Schaffung von adäquaten Rahmenbedingungen für die Erstellung von ausreichend Wohnraum. Das klimagerechte Planen und Bauen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Besonders im Gebäudesektor gibt es gewaltige Einsparpotentiale beim CO2 Ausstoß. Hier muss ein sinnvolles Anreizsystem zur klimagerechten Modernisierung und Neubau geschaffen werden, ohne die Bau- und damit die Mietkosten weiter in die Höhe zu treiben. Ideen, wie die Umnutzung von Bürogebäuden oder Parkhäusern als Wohnraum und das Überbauen von Supermärkten sollten vermehrt gefördert werden, damit bald wieder ausreichend Wohnraum für alle zur Verfügung steht. Dr. Ing. Alexander Gaulke Landesvorsitzender Berlin-Brandenburg BDB Berlin-Brandenburg Foto: © privat 6

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